Wirtschaft vom
Sonntag, 13. Juli 2008
Teuro, Dollar, Öl und Treibstoff
Vermutlich geht es nur wenigen anderen so, aber ich halte das Gerede vom "Teuro" für Schwachsinn und ebeno fundiert wie die Aussage, Media-Markt, Saturn & Co hätten günstige Preise. Auch die "gute, alte D-Mark" kannte Inflation und Preisanpassungen und für die Betrügereien vieler Firmen bei der Währungsumstellung ist der Euro an sich nicht die Ursache. Die hohen Preise für viele Lebensmittel oder auch Treibstoff liegen auch nicht am Euro. Ganz im Gegenteil, ohne Euro wäre der Effekt des Ölpreises noch viel schlimmer. Da Öl hauptsächlich in Dollar gehandelt wird, spielt für deutsche Firmen natürlich auch der Kurs von Euro zu Dollar eine Rolle für den tatsächlichen Preis im Euroland. Nehmen wie einmal das letzte Jahr ab Juni 2007:

Anfang Juni 2007
Öl 66,08 Dollar pro Barrel 100%
1 Euro = 1,35 Dollar 100%
Barrel = 48,95 Euro 100%

Das ist der Vergleichspunkt bzw. 100% bei Ölpreis in Dollar pro Barrel (Brent), dem Euro-Dollar-Kurs und dem daraus entstehenden Preis von einem Barrel Öl in Euro.

Ende Oktober 2007
Öl 90,84 Dollar pro Barrel 137,47%
1 Euro = 1,43 Dollar 105,92%
Barrel = 63,52 Euro 129,77%

Mitte März 2008
Öl 107,38 Dollar pro Barrel 162,50%
1 Euro = 1,55 Dollar 114,81%
Barrel = 69,28 Euro 141,53%

Mitte Juli 2008
Öl 144,46 Dollar pro Barrel 218,61%
1 Euro = 1,59 Dollar 117,78%
Barrel = 90,85 Euro 185,60%

Wie man sieht, ist der Ölpreis in Dollar in 13 Monaten um 118,61% gestiegen. Da der Euro im Vergleich zum Dollar aber im gleichen Zeitraum um 17,78% wertvoller wurde, müssen Firmen im Euroland 17,78% weniger Euro pro Dollar bezahlen als vor 13 Monaten. Damit fällt der echte Anstieg mit 85,60% um 33 Prozentpunkte geringer aus als in Dollar selbst.

Interessant ist dann im Vergleich natürlich die Entwicklung der Treibstoffe an den Tankstellen, mit und ohne Steueranteil (19% MwSt am Gesamtpreis, Mineralölsteuer+Ökosteuer bei Diesel 47,04 Cent/l und Ottokraftstoff 65,45 Cent/l, Erdölbevorratungsabgabe bei Diesel 0,39 Cent/l und Ottokraftstoff 0,46 Cent/l):

Diesel Juni 2007, Oktober 2007, März 2008, Juli 2008
1,127 (0,473) Euro pro Liter 100% (100%)
1,202 (0,536) Euro pro Liter 106,65% (113,32$)
1,318 (0,633) Euro pro Liter 116,95% (133,88%)
1,496 (0,783) Euro pro Liter 132,74% (165,51%)

Normal Juni 2007, Oktober 2007, März 2008, Juli 2008
1,344 (0,470) Euro pro Liter 100% (100%)
1,342 (0,468) Euro pro Liter 99,85% (99,57%)
1,403 (0,519) Euro pro Liter 104,39% (110,62)
1,557 (0,649) Euro pro Liter 115,85% (138,15%)

Super Juni 2007, Oktober 2007, März 2008, Juli 2008
1,363 (0,486) Euro pro Liter 100% (100%)
1,351 (0,476) Euro pro Liter 99,12% (97,98%)
1,400 (0,517) Euro pro Liter 102,71% (106,45%)
1,546 (0,640) Euro pro Liter 113,43% (131,69%)

Hier sieht man deutlich, dass die sogenannte "Abzocke" an den Tankstellen nicht stattfindet. Die Preissteigerung liegt selbt bei Diesel mit 32,74 bzw. 65,51% nicht in der Nähe der 118,61% Anstieg des Ölpreises in Dollar oder bei dem errechneten Anstieg des Ölpreises in Euro von 85,60%. Wäre letzterer auf die Treibstoffe umgelegt worden, wären die Preise heute:

Diesel: 1,605 Euro pro Liter
Normal: 1,822 Euro pro Liter
Super: 1,857 Euro pro Liter

Natürlich ist eine kleine Verzögerung bei der Weitergabe des Ölpreises enthalten, doch meistens wird schnell erhöht, wenn der Preis steigt und nur langsam gesenkt, wenn der Preis fällt.

Ich ziehe zwei Schlüsse aus dieser Fleißarbeit:

1. Man kann dem Euro danken, dass er einen Teil der Ölpreissteigerungen abpuffert. Wer den Euro absolut hasst, dankt ersatzweise dem schwachen US-Dollar. Auch wenn das nicht ganz richtig ist, weil der Euro auch gegenüber anderen Währungen stark zugelegt hat, z.b. dem britischen Pfund.

2. Die "Abzocke" an den Tankstellen findet nicht statt, die Preissteigerungen pro Liter liegen brutto und netto deutlich unter dem Niveau der Ölpreissteigerung. Das liegt natürlich auch daran, dass der Steueranteil abgesehen von der Umsatzsteuer gleich bleibt und im Restbetrag viele Kosten (Transport, Betriebskosten, Raffineriekosten etc.) enthalten sind, die nicht direkt mit dem Ölpreis verbunden sind. Letztlich ist es sowieo eine sehr komplexe Kalkulation, denn aus einem 159 Liter-Barrel Rohöl werden ca. 50 Liter Ottokraftstoff, 40 Liter Bezin, 25 Liter leichtes Heizöl, 5 Kilo Flüssiggas, 6 Kilo Bitumen, 11 Liter Rohbenzin und 10 Kilo Methanol. Der Verkauf der Nicht-Treibstoffe verringert natürlich den Preis, den 1 Liter der Treibstoffe gekostet hat.

Und der dritte der zwei Schlüsse lautet:

3. Eine derartige Rechnerei an einem Sonntag-Nachmittag zu machen ist dumm. Aber wenn ich mich erstmal in eine Sache verbissen habe....

Quellen: Benzinpreis.de, Esso.de, Yahoo Market, mein Hirn

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hm.. interessante Rechnung... dir war Langweilig?
:D

Aber guter Stoff, den ich jetzt in sämtlichen Foren verteilen kann ;)

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ich bin echt beeindruckt! ich liebe statistik, deswegen habe ich meine besondere freude an solchen aufstellungen. ich glaube auch das der starke eurokurs uns vor schlimmerem bewahrt, aber ich denke ebenso, dass alles unglaublich teuer geworden ist...

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Ich gebe aber keine Gewähr, dass das alles stimmt *g*

Natürlich ist manches teurer geworden, das liegt aber nicht am Euro. Ganz im Gegenteil, schau dir mal die Preissteigerung in Deutschland von 1951 bis 2007 an:

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/1/19/Inflation1951-2007.png

Den Euro gibt seit 2002, die Inflation liegt seitdem zwischen 1,0 und 2,3%. Mit der tollen D-Mark gabs in den 40 Jahren vor dem Euro nur sehr wenige Jahre, die in diesem Bereich lagen, viel häufiger lag die Inflation bei über 4% mit einem Rekord von 7,1%.

Das einzige Problem bei der Berechnung der Inflation ist der Warenkorb, der quasi alles anteilig berücksichtigt. Wenn aber nun lebensnotwendige Dinge wie Nahrung, Treibstoff und Energie teurer werden, wirkt sich das auf die Inflationsrate weniger stark aus als auf die Privathaushalte, insbesondere die mit geringem Einkommen. Das ist dann "gefühlte Inflation", die höher liegt. Jemand, der nah am Existenzminimum lebt, hilft die in der Inflation enthaltene Preissenkung für PCs weniger, dafür trifft ihn die Erhöhung des Gaspreises gewaltig. Aber auch das liegt nicht am Euro, das war schon immer so.

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